Provokation
im Vorfeld der Versicherungstarifrunde 2002:
Versicherungsarbeitgeber
wollen Tarifverhandlungen mit ver.di verweigern!
Der Arbeitgeberverband droht, keine Tarifverhandlungen mit ver.di zu führen, wenn ver.di sich in gesundheitspolitischen Fragen nicht so positioniert, wie es dem Arbeitgeberverband gefällt. Das ist eine völlig neue Form der Auseinandersetzung. Das wahre Ziel scheint zu sein, ohne Einflussnahme der gewerkschaftlich organisierten Angestellten, die künftigen Einkommens- und Arbeitsbedingungen einseitig, nur mit Hilfe kleinster Verbände, die nicht einmal 0.1% der Beschäftigten repräsentieren, zu bestimmen.
Am 22.4.2002 berichtet die „Financial Times“:
Versicherungsarbeitgeber
stellen politische Bedingungen
Verdi soll sich von Gesundheitsprogramm
distanzieren
- Bericht von Herbert Fromme,
Köln -
Die Arbeitgeber
der Versicherungswirtschaft wollen nach Informationen der Financial Times
Deutschland nur nach Erfüllung bestimmter Bedingungen Tarifverhandlungen
mit der Gewerkschaft Verdi führen. Verdi soll sich von der Forderung
nach einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze und der Einbeziehung
von Beamten und Selbständigen in die gesetzlichen Krankenkassen distanzieren.
Der Arbeitgeberverband
der Versicherungsunternehmen bestätigte, dass er der Gewerkschaft
ein entsprechendes Schreiben geschickt hat. „Wir werden mit Verdi unter
diesen Umständen nicht verhandeln“, sagte der Verbandsvorsitzende
Hans Schreiber, Vorstandschef der Mannheimer Versicherungsgruppe. “Die
Erhöhung der Pflichtgrenze kostet 15.000 Arbeitsplätze in der
privaten Krankenversicherung.“ Statt mit Verdi werde man Tarifverhandlungen
mit zwei kleineren Organisationen führen, darunter dem Deutschen Handels-
und Industrieangestellten-Verband im Christlichen Gewerkschaftsbund.
Bei Verdi
seien zwischen 10 und 15 Prozent der Versicherungsmitarbeiter Mitglied,
man habe sich aber immer darauf verständigt, dass Tarifverträge
für alle gelten. „Künftig schließen wir dann eben mit Verbänden
ab, die 0,1 Prozent repräsentieren, und die Verträge gelten trotzdem
für alle“, sagte Schreiber. Die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze
von aktuell 3375 € auf 4500 € Monatseinkommen ist Teil des Maßnahmenkatalogs
von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Damit will die Ministerin den
Wechsel aus den gesetzlichen Kassen in die private Krankenversicherung
erschweren. Künftig dürfen Arbeiter und Angestellte nur wechseln,
wenn sie mehr als 4500 € verdienen. Die Assekuranz lehnt den Vorschlag
ab, weil das einen großen Teil des Nachwuchses für die privaten
Krankenversicherer abschneiden würde.
Verdi hatte
wie andere Gewerkschaften die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze
gefordert. „Inzwischen wurde auch nach Diskussionen mit Kollegen aus den
betroffe-nen Branchen eine Erklärung zum Gesundheitswesen verabschiedet,
die diese Forderung nicht mehr enthält“, sagte Verdi-Vorstand Hinrich
Feddersen. Die Position der Gewerkschaft solle jetzt „in Ruhe erarbeitet“
werden. Den Arbeitgebern reicht das nicht, sie wollen eine klare Distanzierung.
„Die Versicherer sollten lieber froh sein, dass wir uns innerhalb Verdis
durchgesetzt haben“, antwortete Feddersen.
Verdi habe
knapp 40.000 Mitglieder in der Branche, sagte Feddersen. Es werde sicher
„große Unru-he“ geben, wenn der Arbeitgeberverband Tarifverhandlungen
von politischen Bedingungen abhängig macht. „Das gilt auch für
die Gegenseite, nicht alle Mitgliedsunternehmen sind glücklich über
diesen Kurs“, sagte er. Der gegenwärtige Tarifvertrag läuft am
31. Mai aus.
Zum Hintergrund der Auseinandersetzung
einige Fakten:
Richtig ist, | dass das höchste ver.di-Gremium, der Gewerkschaftsrat, Ende Februar in seiner „Berliner Erklärung“ keinerlei Positionierung zu einer möglichen Veränderung der Beitragsbemessungs- und der Versicherungspflichtgrenze beschlossen hat! |
Richtig ist, | dass eine Expertenkommission installiert wurde, die bis zum Frühherbst ein Finanzierungsmodell für die Zukunft erarbeiten soll! |
Richtig ist, | dass ver.di sich zum „geregeltem nebeneinander zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung“ bekennt! |
Falsch ist, | dass ver.di ca. 15.000 Arbeitsplätze in der Privaten Krankenversicherung vernichten will! |
Wer dies erklärt, sagt die Unwahrheit!
Wider besseren Wissens versuchen einige Vertreter des Arbeitgeberverbandes (agv), die Tarifrunde 2002 mit der gesellschaftspolitischen Diskussion über eine notwendige Gesundheitsreform schwerwiegend zu belasten. Warum?
Soll ver.di als einzige starke Interessenorganisation der Versicherungsbeschäftigten im Vorfeld der Gehaltstarifverhandlungen in Misskredit gebracht werden? Sollen die von ver.di geforderten deutlichen Einkommenssteigerungen durch dieses Vorgehen verhindert werden?
Alle Beschäftigten, die nicht bis zum 31. Mai (zu diesem Termin läuft der geltende Tarifvertrag aus) ver.di-Mitglied sind, hätten keinerlei kollektivrechtlichen Anspruch auf die bisherigen Tarifregelungen im Versicherungsgewerbe. Sie wären – nach den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes – im „tariflosen Raum“ und müssten alle Regelungen mit ihrem Arbeitgeber individuell aushandeln.
Für alle, die im Mai ver.di-Mitglied sind und werden, gelten weiterhin die gesamten tarifvertraglichen Bestimmungen.
Unsere Empfehlung: Jetzt ver.di-Mitglied werden!
V.i.S.d.P.: ver.di-Bundesvorstand,
Fachgruppe Versicherungen, Hinrich Feddersen,
Potsdamer Platz
10, 10785 Berlin, Tel.: 030/6956-1600 / Fax: 030/6956-3300